Graue Wolken wölbten sich am Himmel, ließen gelegentlich warme Schauer niederregnen und lockten so ein paar Schwammerln aus dem Boden.
Fehlbestimmter Rötling
Der erste erspähte Fruchtkörper war in der Hutmitte trichterförmig vertieft, allenfalls zum Hutrand hin undeutlich durchscheinend gerieft und unauffällig braun gefärbt. Den Pilz hielt ich zunächst für den Trichter-Glöckling (Entoloma sericeoides), doch Peter Specht wies mich darauf hin, dass es sich hierbei um eine andere Rötlingsart handelt – besten Dank an dieser Stelle. Mangels Beleg konnte leider keine Bestimmung erfolgen – vielleicht klappt eine Nachbestimmung beim Wiederfund.
Gallen an Labkraut
Beim Fotografieren fielen mir in der Umgebung an einem Labkraut knotige, rosa Wucherungen auf. Dank der Unterstützung im Forum auf pflanzenbestimmung.de konnten die Gebilde als Gallen der Gallmücke (Geocrypta galii) identifiziert werden. Sie entstehen am Stängel überhalb den Blattstielen und sind oft zu mehreren ringartig miteinander verwachsen. Eine Wucherung kann bis zu einem Zentimeter groß werden. Im Inneren befindet sich in jeder Anschwellung eine gelbe bis orangefarbene Larve, die sich schließlich im Boden verpuppt. Bei günstiger Witterung entwickeln sich zwei Generationen im Jahr.
Blauer Flattermann im gelben Blütenmeer
Anschließend verfolgte ich entlang eines Trampelpfads ein hektisch umherflatterndes Männchen des Hauhechel-Bläulings (Polyommatus icarus), der häufigste und am weitesten verbreitete Vertreter seiner Familie. Zum Glück legte der Tagfalter auf einer gelben Hufeisenkleeblüte (Hippocrepis comosa) eine kurze Rast ein und ließ sich während des Nektarsaugens bereitwillig ablichten.
Zu den Futterpflanzen der Raupen kommen im Einzugsgebiet der Gewöhnliche Hornklee (Lotus corniculatus), der Hufeisenklee, die Bunte Beilwicke (Securigera varia) und die Dornige Hauhechel (Ononis spinosa) infrage. In der Augsburger Gegend sind klimatisch maximal zwei Generationen im Jahr möglich.
Danke an Georg Stiegel auf lepiforum.de für die Bestimmung.
Winzling unterm Natternkopf
Einige Meter weiter begannen sich mehrere mit Knospen besetzte Blütenstände des Gewöhnlichen Natternkopfs (Echium vulgare) aufzurichten. Zwischen den borstigen Blättern am Grund spitzelte ein kleiner, ockerfarbener Lamellenpilz hervor: der Raustielige Ackerling (Agrocybe pediades). Namensgebend ist der teils abstehend-faserig bekleidete Stiel. Die Lamellen verfärben sich mit zunehmendem Alter durch das ausfallende Sporenpulver braun. Der Raustielige Ackerling besiedelt Grünland auf kalkhaltigen wie auch sauren Böden, bevorzugt aber eutrophierte Stellen. Er ist hierzulande häufig und weit verbreit. (Krieglsteiner 2003)
Versehentliches Kühlschrankopfer
Tragisches Highlight dieser Begehung war ein einzelner Blätterpilz mit ritterlingsartigem Habitus nahe einer Pappel, den ich leider im Kühlschrank mit dem abendlichen Einkauf verdeckte und schließlich vergaß, detailliert zu beschreiben und für eine mikroskopische Untersuchung zu trocknen.
Markant fand ich die velumartig überhäutet wirkende Hutoberfläche. Meine Vermutung ist ein Rötling – den Experten Gerhard Wölfel erinnern die Bilder an einen Vertreter aus der Gruppe um den Lilablauen Rötling (Entoloma bloxamii). Im Zuge meiner Recherchen stieß ich schließlich im Netz auf ein Foto von Jean-Jacques Wuilbaut und eine Bildersammlung auf MycoDB.fr, deren abgebildete Fruchtkörper des Mehl-Rötlings (E. prunuloides) meinem Fund ähnlich sehen. Die Typusart der Rötlinge gehört in die gleiche Untersektion wie der Lilablaue Rötling. Laut Michael, Hennig & Kreisel (1977) fruktifiziert die Art von August bis Oktober, Ludwig (2007) gibt Juli bis November an. Im Pilzkompendium steht zwar explizit, die Art würde nicht im Frühjahr erscheinen, aber Krieglsteiner (2003) skizziert die Phänologie in Baden-Württemberg von „September bis Anfang November, in manchen Jahren schon ab Ende Mai.“
Der Mehl-Rötling kommt in Europa vom Mittelmeerraum bis Nordskandinavien vor, gilt aber überall als ziemlich selten – in Deutschland ist der Pilz im Süden verbreitet und im Bestand gefährdet. (Ludwig 2007, Karasch & Hahn 2009) Ich werde die Fundstelle im Auge behalten. Mit etwas Glück lässt sich der Pilz nächstes Jahr nochmals blicken und dann mikroskopisch absichern.
Nachtrag am 10.12.2013: Der Gattungsspezialist Machiel E. Noordeloos kann sich vorstellen, dass es sich bei dem Fund möglicherweise um E. ochreoprunuloides (= E. prunuloides var. obscurum), den Dunklen Mehl-Rötling, handelt. (Morgado et al. 2013).
Orchideendiebe im Naturschutzgebiet
Vor dem Heimweg knipste ich noch ein paar heimische Orchideen: Das Kleine Knabenkraut (Anacamptis morio) und das stattliche Helm-Knabenkraut.(Orchis militaris). Ihre Blütezeit neigte sich zwar schon gen Ende, trotzdem waren einige Exemplare noch prächtig anzuschauen.
Unfassbar, dass während des Sommers Naturfrevler im Stadtwald Augsburg illegal Orchideen im großen Stil ausgegraben hatten. Offenbar scheint dafür ein Schwarzmarkt zu existieren. Als Naturfreund blutet einem bei solchen Berichten das Herz. Ich appelliere an alle, die solche Aktivitäten beobachten, umgehend die Polizei zu verständigen. Lassen Sie es nicht zu, dass Naturschätze durch profitgierige Menschen geraubt und zerstört werden! Denken Sie aber zuerst an Ihre Eigensicherung.
Literatur
- Karasch P, Hahn C (2009) Rote Liste gefährdeter Großpilze Bayerns. LfU, Augsburg: 78. (PDF; 4,4 MB)
- Krieglsteiner GJ et al. (2003) Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 4. Ständerpilze: Blätterpilze II (Hell- und Dunkelblättler). Eugen Ulmer, Stuttgart: 295−297.
- Ludwig E (2007) Pilzkompendium (Beschreibungen), Bd. 2. Die größeren Gattungen der Agaricales mit farbigem Sporenpulver (ausgenommen Cortinariaceae). Fungicon, Berlin: 382−383, 307−308.
- Michael E, Hennig B, Kreisel H (1977) Handbuch für Pilzfreunde, Bd. 3. Blätterpilze − Hellblättler und Leistlinge. Fischer, Jena: 202−203.
- Morgado L, Noordeloos M, Lamoureux Y, Geml J (2013) Multi-gene phylogenetic analyses reveal species limits, phylogeographic patterns, and evolutionary histories of key morphological traits in Entoloma (Agaricales, Basidiomycota). Persoonia 31: 159 –178. DOI: 10.3767/003158513X673521