Funddaten
Kollektion: 7 von 9 Frk. Bestimmung: Morchella semilibera De Candolle 1805 Funddatum: 19.4.2016 Fundort: D − BY − Schwaben − Lkr. Donau-Ries − Donauwörth − Auwaldstreifen am Nordufer der Donau Messtischblatt: 7431/1 Höhe über NN: ca. 430 m Ökologie: auwaldartiger Streifen im Anschluss des Flussdamms auf frischem, kalkhaltigem Boden; Baumschicht hauptsächlich bestehend aus Gemeiner Esche (Fraxinus excelsior) mit eingestreuten Linden (Tilia sp.); Strauchschicht vornehmlich aus Weißdorn (Crataegus sp.) und Schwarzem Holunder (Sambucus nigra); Bodenbewuchs überwiegend aus Scharbockskraut (Ficaria verna), Hain- oder Hecken-Ehrenpreis (Veronica sublobata), Kletten-Labkraut (Galium aparine) und vereinzelter Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata), im weiteren Umkreis im Saumbereich des Gehölzes eine Gruppe des Gelben Windröschens (Anemone ranunculoides)
Merkmale
Kopfteil: 17–30 mm lang, am Kappenrand 15–30 × 13–30 mm im Durchmesser, kegelig bis zipfelmützenartig zugespitzt, etwa in der Mitte der Hutlänge mit dem Stiel verwachsen, sonst frei, ab und zu auch den Stiel scheidenartig umschließend, mit ausgeprägten und durch kürzere Rippen querverbundene, machmal gegabelte Längsrippen, hellbraun, Rippen bald strichartig dunkel- bis schwarzbraun eintrocknend, dem Stiel zugewandte Innenseite glatt bis etwas rau, blass ockerfarben
Sporenpulver: kein Sporenpulverabdruck angefertigt
Stiel: 7–12 cm lang, geschwungen, selten gerade, bisweilen gekniet, unregelmäßig zylindrisch, partiell eingedellt, zur Basis hin gerne etwas aufgeblasen, hier 10–29 × 9–14 mm breit, basal gefurcht und kurz ausspitzend, zum Hutansatz hin gleichmäßig schmaler werdend, dort 7–19 × 6–15 mm breit, zunächst weißlich, bald mit blassocker Farbtönen, Oberfläche überwiegend längsrunzelig und auffallend kleiig-körnig besetzt
Fleisch: Rippung des Huts bis zu 6 mm dick, im Querschnitt meist ± dreieckig; im Stiel hohl, innere Oberfläche feinkörnig granuliert, Stielwand bis zu 3 mm dick, weißlich bis hellocker, teils etwas glasig, sowohl im Hut als auch Stiel wachsartig-brüchig
Geruch: schwach und im Anschnitt intensiv spermatisch
Verwandtschaft und Namen
Bei der Kollektion handelt es sich um eine der Halbfreien Morcheln. Die Artengruppe ist nahe mit den Spitz-Morcheln verwandt und taxonomisch in der gleichen Sektion Distantes bzw. der Elata-Klade angesiedelt. Sie werden im englischen Sprachraum auch als „half-free morels“ bezeichnet, für Spitz-Morcheln ist der Name „black morels“ gebräuchlich. DNA-Untersuchungen ergaben, dass es sich bei den Halbfreien Morcheln, die makroskopisch nahezu identisch erscheinen, um einen schwierigen Artkomplex handelt, der aus drei geografisch isolierten Arten besteht. (O'Donnell et al. 2011) Weil de Candolle mit M. semilibera Fruchtkörper aus Europa beschrieb, sollte der wissenschaftliche Name auf die europäische Art beschränkt werden. Im Jahr 2012 wurde M. populiphila aus dem westlichen Nordamerika beschrieben, während Pecks im Jahr 1903 aufgestellter Name M. punctipes für die Halbfreien Morcheln aus dem östlichen Nordamerika nochmals bestätigt wurde. (Kuo et al. 2012)
Demnach kommt bei diesem Fund ausschließlich Morchella semilibera infrage. Typisch sind der im Vergleich zum Hut deutlich längere, ± zur Hälfte mit dem Kopfteil verwachsene und hohle Stiel sowie die kleiig-körnige Stieloberfläche. Bei den Spitz-Morcheln geht hingegen der Stiel nahtlos in das Kopfteil über und der Stiel ist glatt beschaffen. Die ähnlich aussehenden Verpeln (Verpa sp.) lassen sich durch das lediglich an der Stielspitze angewachsene und ansonsten frei hängende Kopfteil unterscheiden. Zudem ist deren Stiel wattig ausgefüllt und allenfalls hohl gekammert. Auch die Stieloberfläche differiert: Sie ist mit feinen weißen, quer verlaufenden und dadurch genattert erscheinenden Schüppchen bekleidet.
Im Jahr 2014 haben Moreau et al. die Konservierung des Namens Morchella semilibera gegen ältere Synonyme beantragt, einschließlich Phallus crassipes, P. gigas and P. undosus. Diese durch Elias Magnus Fries sanktionierten Namen haben sich inzwischen als die gleiche Spezies wie M. semilibera herausgestellt.
Literatur und Weblinks
- Boudier É (1906-1907, publ. 1907) Icones mycologicæ, ou Iconographie des champignons de France principalement Discomycetes, Bd. II. Paul Klincksieck, Paris: Tafel 218. Online in Biodiversity Heritage Library
- Hennig B, Kreisel H, Michael E (1986) Nichtblätterpilze (Basidiomyzeten ohne Blätter, Askomyzeten). Handbuch für Pilzfreunde, Bd. 2. 3. Aufl. VEB Gustav Fischer, Jena: 374.
- Kuo M, Dewsbury D, O'Donnell K, Carter M, Rehner S, Moore J, Moncalvo J-M, Canfield S, Stephenson S, Methven A, Volk T (2012) Taxonomic revision of true morels (Morchella) in Canada and the United States. Mycologia 104(5): 1159–1177. PDF bei Taylor & Francis Online
- Laux HE (2015) Der große Kosmos Pilzführer. Überarbeitet von A. Gminder. Kosmos, Stuttgart: 662.
- Moreau P-A, Bellanger J-M, Clowez P, Courtecuisse R, Hansen K, Knudsen H, O'Donnell K, Richard F (2014) Proposal to conserve the name Morchella semilibera against Phallus crassipes, P. gigas and P. undosus. Taxon 63(3): 677–678. doi:10.12705/633.20
- O'Donnell K, Rooney A, Mills G, Kuo M, Weber N, Rehner S (2011) Phylogeny and historical biogeography of true morels (Morchella) reveals an early Cretaceous origin and high continental endemism and provincialism in the Holarctic. Fungal Gen. Biol. 48(3): 252–265. doi:10.1016/j.fgb.2010.09.006