30.10.2021 – Friedhofsrasen im Augsburger Umland


 

Nach der Kissinger Heide besuchten Tobias Luschner und ich noch einen Friedhof im Augsburger Umland mit einer den Gräbern vorgelagerten Rasenfläche, die eine Saftlingsgesellschaft aus Vertretern der Gattungen Clavaria/Keulen, Clavulinopsis/Wiesenkeulen, Cuphuphyllus/Ellerlinge, Geoglossum/Erdzungen, Gliophorus/Schleimsaftlinge und Ramariopsis/Wiesenkorallen beherbergt.

Das Habitat wirkt indes völlig unspektakulär: Der Rasen ist mit Moos, Habichtskraut und Spitzwegerich durchsetzt. Das Grün war lediglich durch etliche Exemplare des Glasigweißen Ellerlings (Cuphophyllus virgineus) weiß gepunktet. Leider gibt es hiervon kein Foto, weil wir das Shooting aufgrund des einsetzenden Regens abbrechen mussten.
 

Glitschige Saftlinge

Erst nach einigem Hinsehen fielen uns die grünen, bestens getarnten Fruchtkörper (Frk.) des Papageigrünen Saftlings (Gliophorus psittacinus) ins Auge. Sie blassen unter Lichteinfluss zunehmend gelb aus und sind dann aufgrund des Farbkontrasts zum grünen Rasen leicht zu erkennen. Am längsten hält sich das Grün im oberen Stielbereich am Hutansatz. Die Hutfarben können auch braune und rosa Töne enthalten, selbst weiße Bereiche können auftreten. Leider fanden wir keine solchen Exemplare, um das zu dokumentieren.

An dieser Stelle möchte ich von einer bemerkenswerten Beobachtung berichten: Im November 2008 entnahm ich auf der Königsbrunner Heide einige Frk. des Papageigrünen Saftlings zur Nachuntersuchung. Ich verpackte die Kollektion in Alufolie und verfrachtete sie daheim in den Kühlschrank. Als ich nach ca. 24 Stunden die Frk. auspackte, zeigten sich die beim Aufsammeln deutlich „entgrünten“ Frk. (siehe Foto) wieder in frischem Grün. Leider hatte ich davon kein Belegfoto erstellt. Wer kennt dieses Phänomen und kann es bestätigen?

Neben den grünen und gelben „Papageien“ leuchteten uns die bräunlich-roten Hütchen von Gliophorus sciophanus entgegen – an dieser Stelle besten Dank an Elisabeth Mettler, die via Facebook unsere anfängliche Bestimmung als G. europerplexus revidierte:

die echte europerplexus ist eher Toffefarben und robuster, matter im Ton. Die was wir immer als G. psittacina var perplexa bestimmt haben, ist eigentlich sciophanus. G. perplexus ist eine N.A. Art. Ob es europerplexus bei uns überhaupt gibt weiß ich nicht. Die Fotos und meisten Nachweise auf pilze-deutschland.de dürften sciophanus sein. Sciophanus hat wie psittacinus eine grüne Primärfarbe

In die Hutfarbe mischt sich zuweilen etwas Grün, wodurch Olivtöne resultieren. Die Frk. bleiben für gewöhnlich kleiner als die des Papageigrünen Saftlings. Wie bei ihm sind sowohl der Hut als auch der Stiel schleimig. Der farblich ähnliche, aber nie Grüntöne aufweisende Zähe Saftling (G. laetus) lässt sich durch die herablaufenden Lamellen und gelatinösen sowie abziehbaren Lamellenschneiden gut abgrenzen.
 

Wiesenkeulen und -korallen

Als erste Wiesenkeule entdeckten wir eine Gruppe mit unverzweigten, gelben Exemplaren, die jedoch etwas ramponiert aussah und mangels mikroskopischer Sporenmerkmale (glatt oder warzig/stachelig? Maße? Apikulus lang/kurz?) unbestimmt blieb. Die Indizien sprechen für die Spindelfüßige Wiesenkeule (Clavulinopsis fusiformis).

Ein leicht zu erkennender Vertreter der Gattung Clavulinopsis ist hingegen die Geweihförmige Wiesenkoralle (C. corniculata) mit gelben und mehrfach dichotom verzweigten Fruchtkörpern. Sie können durchaus so groß werden, dass sie die Grasnarbe überragen. In unserem Fall spitzelten jedoch nur ein paar Astenden aus dem Moos heraus. Wer nicht gezielt danach sucht, kann dann (wie bei vielen Wiesenpilzen) daran vorbeilaufen, ohne den Pilz zu bemerken.

Dann gab ein weiterer Fund Anlass zur Freude: Tobias entdeckte die bislang unbestimmte Wiesenkoralle (Ramariopsis sp.) wieder, die er schon im Vorjahr bemerkt hatte: Sie hat einen Strunk und blass bräunliche bis weißliche Farben – könnte das R. subtilis sein? Ohne Mikroskopie wird man hier wohl zu keinem Ergebnis kommen. Vermutungen und Hinweise zur Bestimmung werden jedoch gerne entgegen genommen.

Ob es sich bei den keulenförmigen Pilzen (siehe Bild von R. cf. subtilis, rechte Bildhälfte) einfach nur um Clavaria falcata, das Weiße Spitzkeulchen, handelt oder eine andere Art jener Gattung blieb mangels Mikroskopie offen. Gleiches gilt für das einzelne schlank-keulige Exemplar unmittelbar daneben.
 

Erdzunge als Schlussakord

Zum Schluss entdeckte ich noch eine Erdzunge, die Tobias gleich als Geoglossum fallax, die Schuppige/Täuschende Erdzunge, ansprach: Bei dieser Art ist der sterile Stiel aufallend schuppig strukturiert. Hinsichtlich der Mikromerkmale verweise ich auf Tobias´ Notation:

Einige Sporen mehr als 7-fach septiert, teils über 100 µm lang; zu beachten ist der Reifungsprozess: Binnen einiger Wochen entwickeln sich in den unseptierten bis 2-fach septierten Sporen bis zu 13 Zwischenwände. Die Paraphysen sind zumindest apikal nicht pigmentiert.

Schade, dass zuletzt Regen einsetzte. Ich bin mir sicher, dass die Friedhofswiese noch etliche Pilzüberraschungen zu bieten hat. Angesichts der bislang gefundenen Arten wollen Tobias und ich uns überlegen, ob und wie wir die Grünflächen auf dem Friedhof vor unbedacht angelegten Blühstreifen schützen können.

Abschließend vielen Dank an Tobias für die Vorstellung dieses wertvollen Kleinods!

 

Literatur

 

Herzlich Willkommen!

Mein Name ist Andreas Kunze, ich bin ein Pilzkundler aus Donauwörth (Schwaben). Ich beschäftige mich gerne mit Wiesenpilzen wie Saftlingen und Zärtlingen. Als begeisterter Pilzfotograf finde ich einen Ausgleich zu meinem Job im IT-Support.

Mehr über mich