20.03.2025 – Bockberg bei Harburg (Schwaben)



Am Donnerstag belohnte ich mich nachmittags mit der ersten Exkursion des Jahres am Bockberg. Leider hatte es in den vorherigen Tagen kaum geregnet, weshalb Frischpilze nicht zu erwarten waren. Stattdessen hoffte ich, auf den Wacholderheiden und Kalkhalbtrockenrasen die ersten Frühblüher vor die Linse zu bekommen. Außerdem hat Bewegung an der frischen Luft bei Sonnenschein und blauem Himmel noch niemandem geschadet. Auf nach Harburg!

Das Zielgebiet steckte noch im Winterkleid, war also von trockenem, blass-gelblichem Gras aus dem Vorjahr geprägt. Hier und da blühten ein paar Veilchen (Viola sp.), das Frühlings-Fingerkraut (Potentilla neumanniana) und bei näherem Hinsehen waren die winzigen Blüten des Frühlings-Hungerblümchens (Draba verna) zu erkennen.
 

Violette Blütenpracht

Doch das Highlight dieser Tour, auf das ich mich hier fokussiere, kam erst kurz vor der Kuppe unterhalb der Kalkfelsen in Sicht: die Gewöhnliche Kuh- oder Küchenschelle. Pulsatilla vulgaris begeistert durch satt violette Blüten mit vielen goldgelben Staubblättern und einem Büschel aus Griffeln im Zentrum, die aus der glockigen Blüte ragen. Der wissenschaftliche Gattungsname bezieht sich auf diese markante Blütenform (Genaust 2005):

Pulsatilla <Küchenschelle, Kuhschelle>: Gatt.N. […] gebildet mit dem Suffix -illa (vgl. Potentilla) zu lat. pulsätus <Stoß, Schlag> im Sinne von <Glockenschlag> (zu pulsāre <stoßen, (an)schlagen>) im Hinblick auf das glockenförm., bei einigen Arten (z. B. P. pratensis) überhängende Perigon, das zudem im Winde hin und herschwankt (vgl. Wi. 741)

Offenbar erinnerten die Blüten die Menschen auch an eine Kuhglocke, was der Blütenpflanze den Namen „Kuhschelle” einbrachte. Der Name „Küchenschelle” geht ebenfalls darauf zurück, es handelt sich lediglich um eine gestraffte Verkleinerungsform: die Kuh, das Kü(h)chen.
 

Gefährdete Trockenpflanze

Die Kuhschelle benötigt helle, trockene und magere Standorte auf Kalk, insbesindere lichte Kiefernwälder und Magerrasen. Dort bevorzugt sie sonnige Hanglagen mit relativ hohen Temperaturen im Sommer. Bei Nährstoffeintrag verschwindet sie recht schnell, weil sie dem Konkurrenzdruck durch andere Pflanzen nicht gewachsen ist. 

Leider werden solche Standorte immer seltener, weshalb ihre Bestände stark zurückgehen. In der Roten Liste Bayern (Klotz et al. 2024) wird sie deshalb als „gefährdet” eingestuft, als langfristiger Bestandstrend wird „starker Rückgang” angegeben.

Die Kuhschelle steht unter Natur­schutz, darf also weder gepflückt noch ausgegraben werden. Wer sich dennoch über die attraktive Blütenpflanze im Garten erfreuen will, kann für wenig Geld Samen und Pflanzen im Fachhandel beziehen.
 

Nahrung für Insekten

Die Blütezeit der Kuhschelle reicht von März bis April. Die Blüten werden von Bienen, Hummeln und Schwebfliegen angeflogen. Beispielsweise sammeln dort Lasioglossum morio, die Dunkelgrüne Schmal­biene, und die Zweifarbige Schneckenhausbiene, Osmia bicolor, Pollen für ihren Nachwuchs. (UfAZ 2023) Im Gegenzug bestäuben die Wildbienen und anderen Fluginsekten die Blüten. Ebenso steuern Ameisen die Blüten an, gelten aber als „Nektarräuber”, da sie keine Blüten bestäuben.
 

Wundervolle Samen

Mehrere Ausbreitungsmechanismen helfen der Kuhschelle, die Umgebung zu besiedeln: 

Ihr Fruchtstand (vgl. letztes Bild, ein Archivfoto vom Juni 2013 aus der Kissinger Heide) besteht aus behaarten Nüsschen mit federartigen Schweifen. Bei trockenem Wetter tragen Windstöße die Nüsschen weit durch die Luft, während sie bei Nässe am Fell vorbeistreifender Tiere haften bleiben und so verbreitet werden.

Die Früchte reagieren zudem auf Veränderungen der Luftfeuchtigkeit: Durch Wasseraufnahme richten sich die Federschweife auf, drehen die Nüsschen um sich selbst und bewegen sie bis zu 20 cm von der Mutterpflanze weg. Mit ihren scharfen Spitzen können sich die Nüsschen leicht in den Boden bohren, um später auszukeimen.

Nach einer kurzen Keimphase folgt übrigens eine Winterruhe, die einen Kältereiz erfordert, damit die Samen im Frühjahr sprießen können.
 

Nach dem Fotoshooting saß ich noch eine ganze Weile auf der Bank neben der Aussichtsplattform (Geopark Ries 2025) in der Abendsonne und genoss den herrlichen Blick ins Nördlinger Ries, während ich dem Gesang der Vögel lauschte. Ich freue mich schon auf die nächste Tour hier her!

 

Literatur und Weblinks

 

Herzlich Willkommen!

Mein Name ist Andreas Kunze, ich bin ein Pilzkundler aus Donauwörth (Schwaben). Ich beschäftige mich gerne mit Wiesenpilzen wie Saftlingen und Zärtlingen. Als begeisterter Pilzfotograf finde ich einen Ausgleich zu meinem Job im IT-Support.

Mehr über mich